Die brummsche Märchenecke, oder: Lesen mit Kindern

Private Einblicke veröffentliche ich ja eigentlich nur aus’m Garten. Das Blog entstand als Gartenblog, später kam der Themenschwerpunkt Lasergravieren und -schneiden dazu. Ja gut, hin und wieder was Küchenlastiges, aber das gehört ja irgendwie zum Garten, weil immer mit Zutaten von dort.

Heute ausnahmsweise ein Einblick ins brummsche Familienleben und ins Haus. Genauer: Der brummsche Dachboden. Dort ist nämlich ein Lieblingsplatz in einer Ecke entstanden, die fast zur Rümpelecke… Entschuldigung – ich meine zum allgemeinen Lagerplatz geworden wäre.

Vorgeschichte släsch familiärer Kontext

Wir hatten irgendwann kurz nach dem Einzug ins neu gebaute Haus eine Matraze übrig, die zum Entsorgen zu schade war („können ja noch Gäste drauf schlafen!„), für die wir eigentlich keinen Platz mehr hatten. Wegwerfen kann ich ja eh nur so mittelgut.

Kind Eins war damals vier Jahre alt und das abendliche Vorlesen war schon immer ein geliebter Bestandteil der Einschlaf-Rituale. Kein Einschlafen ohne Vorlesen, nie. Kind Zwei war auf dem Weg – es deutete sich also an, dass es in ein paar Wochen getrennte Abendprogramme geben wird, und zwar für längere Zeit. Der bald nun Große war gerade erst in sein eigenes Kinderzimmer umgezogen und sollte allein schlafen, während das Baby im Elternbett schlafen würde.

Blogleser mit Kindern wissen, dass schon eine so ne Umstellung ein ziemlicher Brocken sein kann. Einschlafen mit Eltern, klar. Aber nachts dann aufwachen und erstmal allein sein… oha. Und dann noch die elterliche Aufmerksamkeit mit dem neuen Geschwisterchen teilen… Der Große hatte diese doppelte Herausforderung mit überraschend wenig Drama gemeistert.

Rückzugsort

Wir hatten so die Ahnung, dass ein zusätzlicher Rückzugsort kein Fehler sein kann: Ne gemütliche Ecke, wo das bisherige Einzelkind ungestört Zeit mit einem Elternteil verbringen kann, eben auch mal ohne das neue Geschwisterchen. Also wurde die Matratze Keimpunkt des Projektes „Märchenecke“.

Den Schaukelstuhl hat mir mein Vater in den Achtzigern gebaut, das ist also ein Familienerbstück. Die Kinder lieben ihn, leider ist im Wohnzimmer kein Platz dafür, genauso wenig wie für den großen Sitzsack, der nach dem Umzug irgendwo verstaut werden musste und im Wohnzimmer nach diversen Umräumungen weichen musste. Jetzt dient er uns als überdimensioniertes Kissen. Die LED-Kette sorgt für gemütliche Atmosphäre, die Regale dahinter beherbergen einen Teil meiner Rollenspiel-Bibliothek. Auch so’n Hobby, das ich bisher recht erfolgreich an beide weitergegeben habe. Parenting done right. (c:

Der Name „Märchenecke“ kommt nicht von ungefähr: Hier oben unterm Dach haben wir den Hobbit genossen, später den Herrn der Ringe, wir sind mit Walter Moers durch Zamonien gereist und haben viele andere Werke gelesen, die man als fantasyliebender Vater eben so weitergeben will. Seit ein, zwei Jahren sind abends hauptsächlich Terry Pratchett’s Scheibenweltromane dran.

Rechter Stapel: Bereits gelesene Scheibenweltromane, links ein Teil des to-do Stapels.

Ich lese und liebe Pratchett seit über zwei Jahrzehnten, lange bevor Nachwuchs ein Thema war. Daher hatte ich die meisten Romane im englischen Original gekauft, was mir jetzt erstmal auf die Füße fällt. So what, kaufen wir halt nochmal die Übersetzungen. Gebraucht und im Bücherpaket sprengt’s nicht die Bank. Ziel ist eh, irgendwann ne vollständige Pratchett-Bibliothek zu haben. Kommt ja – leider – nichts mehr neues dazu, ist also machbar.

Leseempfehlung für Eltern: Terry Pratchett

Scheibenweltgeschichten sind einfach nur toll, Punktausende. Für Erwachsene und ja, auch für Kinder ab einem gewissen Alter. Immer spannende Plots, der Große liebt den hintergründigen Humor und vor allem Pratchett’s unvergleichlichen Sprachwitz.

Bonuspunkte dafür, dass in vielen Geschichten durchaus wichtige Themen behandelt werden. Bei Wikipedia in der Liste der Bücher findet ihr in der Spalte „Motive“ ne schöne Übersicht, worum’s im jeweiligen Roman so grob geht. Hier lernen die Kids tatsächlich was fürs Leben! Mit ein bissel elterlicher Moderation und Erklärung erfährt ein Zehn- oder Elfjähriger so beispielsweise in Weiberregiment etwas über Feminismus (bzw. als „typisch männlich“ geltendes Verhalten, Crossdressing, wie Frauen unterdrückt werden und sich dann emanzipieren) und über Patriotismus und wie’s (früher) im Krieg zuging, aus Sicht der einfachen Soldaten. Gleich mehrere anspruchsvolle Themen, verpackt in einer spannenden und – ja, trotzdem lustigen! – Geschichte. Klingt komisch, ist aber so.

Gut, die Themen werden jetzt nicht komplett durchverhandelt, aber das ist ja auch nicht der Anspruch, sondern unsere Aufgabe als Eltern. Einfach bissel was erklären und gucken, ob die Kinder schon drauf anspringen und mehr wissen wollen. Wenn nicht, dann nicht aufzwingen. Eigentlich ganz einfach.

Vor ein paar Tage sind wir mit „Ab die Post“ fertig geworden. Kind Eins hat jetzt einen Einblick, wie ein Trickbetrüger arbeitet, wie’s früher im Postwesen zuging, was Großfinanz und Turbokapitalismus für Folgen haben und warum Monopole shice sind. Plus: Themen wie Philatelie (Briefmarkensammler sind Nerds!), optische Telegrafen und wie Hacking funktioniert. Alles in einer Geschichte. Oh, und: Feucht von Lipwig ist ein absolut liebenswerter Protagonist!

Gleich danach haben wir „Schöne Scheine“ angefangen, weil auch hier wieder Feucht von Lipwig die Hauptrolle spielt. Und jetzt lernt der Sechsklässler halt was über das Geldwesen, den Goldstandard und Banknoten bzw. ungedecktes Papiergeld. Ach ja, Sklaverei und Schizophrenie spielen ebenfalls ne Rolle. Alles in einer Geschichte, bissel was über 400 Seiten. Nix davon bis ins letzte technische Detail erklärt, aber jeweils des Pudels Kern getroffen.

Merkt man übrigens sehr, dass ich Pratchett-Fan bin? (c;

Mehr Pädagogisches Gelaber

Klar, man kann den Inhalt solcher Geschichten nicht einfach so unkommentiert vorlesen, sondern muss dann eben mittendrin mal für fünf bis zehn Minuten unterbrechen und bissel was erklären. Aber das ist jetzt kein Hexenwerk, das machste als Eltern eh andauernd. Und abends beim Vorlesen ist für sowas auch Raum, wenn die Hektik des Tages vorbei ist. Dass man Kindern so früh wie möglich und dann auch regelmäßig* vorlesen sollte, weil das auf sooo viele Arten gut für die Kleinen ist, davon brauche ich jetzt hoffentlich niemanden zu überzeugen.

* womit natürlich täglich gemeint ist, und – ja, dafür muss Zeit sein!

Was ich nicht vergessen darf, ist die Werbung für so ne Leseecke. Mir ist klar dass nicht jeder ein Haus und den Platz für ne weitere Matraze hat, aber sowas bekommt man auch in einer kleineren Wohnung hin. Vielleicht kombiniert mit einer Spielecke, die mit einem Vorhang abgetrennt werden kann, oder einfach dem Bett, das ne gemütliche, praktikable und kindersichere Beleuchtung bekommt. Irgendwas mit LEDs, davon gibt’s gefühlte Millionen Varianten. Hauptsache, die Kids fühlen sich wohl und können sich dorthin zurückziehen. Ob nun mit den Eltern oder allein.

Geschafft!

Eigentlich wollte ich euch ja nur fix ein Foto der brummschen Märchenecke zeigen. Dass da jetzt Buchbesprechungen und pädagogisches Zeugs dazukommen, war so gar nicht geplant. Aber wenn ihr’s bis hier geschafft habt, war’s hoffentlich kein Fehler. (c;

So, und jetzt tut euch selbst was Gutes, schnappt euch nen Scheibenweltroman und ab auf’s Sofa oder in eure Lieblingslese-Ecke!

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.