Die gute Nachricht zuerst: Junior hat die Nacht überstanden. Heute Morgen stand er wieder aufm Gartenweg, an fast derselben Stelle wie gestern Abend.
Bissel näher ran:
Also hat er höchstwahrscheinlich im Gebüsch übernachtet. Riskant. Wenn er sich das angewöhnt, steigert das mittelfristig nicht gerade seine Überlebenschancen. Marder und so. Waschbären seit neulich auch. Selten Füchse, aber ausschließen würde ich auch das nicht. Baumschläfer wäre definitiv besser.
Als ich die Kids zur Schule & in den Kindergarten gebracht habe, stand er nochmal sehr fotogen da:
Wir haben uns auf dem Weg zum Carport in größtmöglichem Abstand an ihm vorbeigemogelt, er hat sich aber trotzdem sofort wieder in die Büsche verzogen. Gut so.
Tagsüber blieb er komplett im Garten. Er war ein paarmal am Teich und hat getrunken. Immerhin. Die vorbeischwimmenden Fische fand er wohl sehr interessant, hat aber keinen erwischt. Na immerhin scheint es Ansätze von Jagdinstinkt zu geben. Das lässt ein bisschen hoffen. Denn wenn er nicht bald was fängt, wird’s heikel. Morgen rufen wir entweder im Zoo oder beim NaBu an und holen uns Rat.
Als wir nachmittags heimkamen, fanden wir ihn nach kurzer Suche …auf der Terrasse. (c:
Er mag also Tomaten. Gut, von mir aus kann er sich satt fressen. Tat er natürlich nicht, aber ich hätte ihm jede einzelne gegönnt.
Ich konnte es mir nicht verkneifen: Ich bin im Wohnzimmer in geduckter Haltung zum Fenster geschlichen, hab la-hang-sam das Fon wie ein Periskop nach oben gehalten und versucht, ein paar Schnappschüsse aus nächster Nähe zu bekommen. Ne bessere Chance bekomme ich nie wieder. Natürlich hat er selbst diese Zeitlupenhafte Bewegung hinter dem Fenster mitbekommen. Aber es hat ihn nicht zu sehr gestört – er blieb erstmal da hocken.
Der Nachmittag war einigermaßen stressig. Nicht direkt wegen dem Reiher, eher indirekt: Die Gartenzwerge wollten ihn natürlich dauern sehen, trotz eindringlicher Erklärungen und Ermahnungen. Die Neugier und begeisterung ist halt stärker. Und wenn das schon nicht, dann wenigstens so wie sonst im Garten rumtoben. Fußball, mit dem ratternden Sitzauto durch den garten rasen, Kreischwettbewerbe. Das Übliche, ihr kennt das. Alles Dinge, die auf der Reiher-Wunschliste eher nur so mittelweit oben stehen. Später startete in der Nähe dann auch noch ein Benzinrasenmäher, da hat er dann erstmal das Weite gesucht und sich hinter’m Gartenhaus verkrümelt.
Ne Weile später wähnte er sich wieder unbeobachtet und ging nochmal auf Enteckungstour:
Also Graureiher mögen ja Meister der Heimlichkeit und Geduld sein, aber die größten Kletterer vor dem Herrn sind sie definitiv nicht!
Später saß er dann oben auf der Mauer in des Nachbars Vorgarten und beobachtete uns durch’s Wozi-Fenster. Und wir ihn zurück. Ich habe den Eindruck, dass er sich gestern und heute ein bisschen an unsere Anwesenheit gewöhnt hat. Natürlich darf man ihm nicht auf die Pelle rücken, klar. Aber er hat scheinbar keine Panik. Zehn Meter Abstand und alles ist gechillt.
Ich hab mehrfach versucht, mit nem Kescher ein paar kleinere Fische ausm Teich zu holen und in einen Wassereimer am Ufer umzusiedeln, damit er leichter rankommt. Leider habsch nicht einenn einzigen erwischt. Hmpf. Mal sehn was der Dienstag bringt. Ich hoffe dass er morgen vormittag lange genug am Teich ungestört ist und mehr Erfolg hat als heute. Inzwischen weiß er ja, dass dort was Essbares drin ist.
In other news: Unsere Miez kränkelt. Keine spezifische Symptome, aber sie frisst nicht, schläft viel, macht nen abgeschlagenen und geschwächten Eindruck. Morgen geht’s zum Tierarzt. Tierisches Sorgenkind Nummer zwei. Manchmal läuft’s halt.
Update 14.9.21
Heute Morgen lag Junior tot aufm Gartenweg. )c:
Keine sichtbaren Verletzungen. Ich vermute dass er nach zwei Tagen ohne Futter zu schwach war und die beiden Nächte zuviel Energie gekostet haben. Wer weiß, wie lange er vor seiner Ankunft bei uns am Sonntag schon nichts oder nicht genug zu Fressen hatte. Mein Bruder wolte nach seiner Nachtschicht heute Vormittag im Zoo und beim Nabu anrufen, aber da war’s schon zu spät.
Rückblickend haben wir aus Unwissenheit die Dringlichkeit und den Handlungsbedarf unterschätzt, denke ich. Lektion gelernt. So traurig. Da hilft es auch nicht wenn man liest, dass Junge Reiher eine Sterblichkeitsrate von 70% haben.