Das Känguru spielt Pokemon Go, oder: Der Kleinkünstler aus der Konserve

Manche Hobby-Kombos sind nützlicher als andere.

Wenn man… sagen wir mal, wenn man Marc-Uwe Kling Fan ist1, seit nem knappen Jahr Pokemon Go suchtet2 und seit Wochen ungesund oft an seinem GPT rumspielt…

Irgendwann passieren dann…

Dinge.

1 Wir lieben das Känguru. Schnapspralinen für alle!
2 Wegen der Kinder. Weil die dann gerne spazierengehen. Und javerdammt: Wir sind late to the party.

Ohne weitere Vorrede – die gibt’s nach dem Text, verkleidet als Nachrede – hier der eben spontan entstandene Chat.

Kennst du Marc-Uwe Kling und seine Känguru- Geschichten?

Ja, ich kenne Marc-Uwe Kling und seine „Känguru“-Geschichten! Die humorvollen Erzählungen über Marc-Uwe und sein anarchistisches Känguru sind sehr beliebt. Die Geschichten begannen ursprünglich als Podcast, der später als Buchreihe und Hörbücher veröffentlicht wurde, darunter Die Känguru-Chroniken, Das Känguru-Manifest, Die Känguru-Offenbarung und Die Känguru-Apokryphen.

Marc-Uwe Kling erzählt dabei von seinem Zusammenleben mit einem sprechenden Känguru, das plötzlich in seine Wohnung einzieht. Das Känguru hat eine Vorliebe für Schnapspralinen und neigt dazu, kapitalismuskritische Ansichten und philosophische Diskussionen mit Humor und Absurdität zu kombinieren. Die Bücher sind bekannt für ihren Wortwitz, ihre Gesellschaftskritik und die skurrilen Situationen, in die das Duo immer wieder gerät.

Hast du eine Lieblingsgeschichte aus den Känguru-Chroniken, oder gefällt dir der Humor der Serie besonders?

Bitte schreibe eine Kurzgeschichte in seinem typischen Stil mit ihm und dem Känguru. Das Thema soll das Spiel Pokemon Go sein.

Ich und das Känguru spielen Pokémon Go

Das Känguru springt aufgeregt durch die Wohnung.
„Los, los, los, los!“ ruft es.
„Wohin denn?“ frage ich, gerade noch im Schlafanzug.
„Pokémon Go spielen!“
„Wieso das denn jetzt? Das Spiel ist doch uralt.“
„Das hat nichts mit dem Spiel zu tun“, sagt das Känguru. „Das ist eine Revolution!“
„Eine Revolution?“
„Ja, eine Pokémon-Revolution! Und ich bin ihr Anführer.“
„Ach, echt? Und was revolutioniert ihr da so?“
„Das System“, sagt das Känguru und zieht seine Stirnband-ähnliche Maske fest. Darauf prangt ein Pikachu mit einem Che-Guevara-Barett.
„Wir kämpfen für die Freiheit der Pokémon! Befreit die Pikachus! Und die anderen Viecher auch!“

Ich runzele die Stirn. „Du weißt schon, dass das Spiel immer noch auf den Servern von einem riesigen Konzern läuft, oder?“
„Ich nutze das System, um es von innen heraus zu zerstören“, sagt das Känguru. „Wie ein Tro… janisches… Känguru!“
„Das ist ein Trojanisches Pferd.“
„Klingt nach einer schlechten Marketing-Entscheidung.“
„Wie willst du das Spiel von innen heraus kapern?“
Das Känguru wedelt mit dem Smartphone, als wäre es ein heiliges Artefakt. „Ich habe die perfekte Pokémon-Aufstellung gefunden! Niemand kann uns stoppen! Ich habe alle Arenen in der Nachbarschaft eingenommen!“
„Alle Arenen?“
„Alle! Aber die Schweine von Team Gelb haben meine Arkanis wieder rausgekickt!“
„Du bist also Team Rot?“ frage ich.
„Nein, ich bin Team Kommunist.“
„Das ist aber nicht dasselbe.“
„Pff, das sagt nur jemand, der nicht im Widerstand gegen die Bourgeoisie-Pokémon kämpft.“

Das Känguru schaltet auf seinem Smartphone zu einer Karte, die komplett rot gefärbt ist.
„Ich habe die Arena im Park übernommen, die bei der Bäckerei und die an der Ecke, wo der Dönerladen ist.“
„Ist das der Grund, warum du die letzten Tage immer so viel draußen warst?“ frage ich misstrauisch.
„Ja. Das und der Dönerstand hat eine neue Sorte Knoblauchsoße.“
„Und warum spielst du jetzt so plötzlich Pokémon Go?“
„Um die Machtverhältnisse in diesem Stadtteil zu ändern!“ Das Känguru stemmt die Fäuste in die Hüften und strahlt mit stolzgeschwellter Brust.
„Das klingt verdächtig nach der Begründung, die du immer benutzt, wenn du irgendwas Unnützes machst.“
„Nein, das war noch nie so!“ protestiert das Känguru.
„Ach wirklich? Was war mit dem Monopoly-Spiel?“
„Das war ein Experiment zur sozialen Ungleichheit.“
„Und dem Bobby-Car-Rennen?“
„Sportlicher Protest gegen die Auto-Lobby!“
„Und dem stundenlangen Streamen von Serien?“
„Eine Recherche zur Medienkritik!“

Das Känguru starrt mich an und ich starre zurück.
„Also, kommst du jetzt mit?“ fragt es schließlich.
„Na gut“, sage ich und ziehe mich an.
„Lass uns aufbrechen, es gibt viel zu tun!“ ruft das Känguru. „Da draußen laufen Menschen rum, die müssen bekehrt werden!“
„Ach ja? Wie willst du die bekehren?“
Das Känguru holt einen Stapel selbstgemalter Flyer heraus.
„‘Team Kommunist sucht Mitglieder: Tretet bei und erobert die Arenen für die proletarischen Pokémon!‘“
„Klingt wenig überzeugend.“
„Weißt du, was überzeugend klingt? Ein Mewtu mit Marx-Bart!“
„Was?“
„Ich habe die App gehackt.“ Das Känguru zeigt mir ein Bild auf seinem Bildschirm: Ein Mewtu mit einem dicht gezeichneten Bart und einer kleinen roten Fahne in der Hand.
„Das ist… illegal.“
„Das ist Kunst!“ schreit das Känguru empört. „Außerdem wird es höchste Zeit, dass Pokémon sich ihrer Klassenlage bewusst werden. Befreit die Glumandas, sagt nein zur Pokéball-Unterdrückung!“

Ich verdrehe die Augen, aber irgendetwas an der Begeisterung des Kängurus steckt an.
„Gut“, sage ich schließlich, „fangen wir eine Revolution an.“
Das Känguru nickt ernst. „Pokémon der Welt, vereinigt euch!“

Draußen laufen wir durch den Park, und das Känguru hat bereits einen Schwarm Kinder um sich versammelt, denen es eifrig erklärt, warum es wichtig ist, gegen die Kapitalisten unter den Trainern vorzugehen.
„Erst kontrollieren sie die Arenen, dann die Märkte, dann die Welt! Aber wir werden nicht zulassen, dass Team Blau und Team Gelb uns unterdrücken!“
„Was ist denn mit Team Rot?“ fragt ein Kind.
„Team Rot sind wir!“ sagt das Känguru triumphierend. „Und jetzt los, wir müssen alle Arenen hier einnehmen, damit kein Pokémon mehr für weniger als einen fairen Stundenlohn kämpft!“
„Wie viel ist denn ein fairer Stundenlohn?“ frage ich skeptisch.
„Sechs Beeren die Stunde und eine Runde Hypertränke!“ ruft das Känguru und winkt mir zu.
„Ach, natürlich…“

Und so laufen wir los, eine kleine, bunte Truppe von Möchtegern-Revolutionären, die alle mit ihren Handys Pokémon fangen und dabei so tun, als würden sie das System stürzen.
Ich frage mich, wie lange es dauern wird, bis das Känguru wieder das Interesse verliert. Wahrscheinlich in dem Moment, in dem es merkt, dass Pokémon doch nicht so revolutionär sind, wie es dachte. Aber bis dahin… na ja, wenigstens sind wir draußen an der frischen Luft.

Gar nicht üble Nachrede

Das hat sich GPT in wenigen Sekunden aus den virtuellen Fingern gesogen…

Ich bin da inzwischen nicht mehr baff – das war ich bei der ersten so entstandenen Geschichte von Torsten Sträter noch – aber ich bin immer noch krass zwiegespalten. Und zwar krasser als bei jedem anderen Technologiesprung den ich miterlebt habe. Gut, die kann ich an einer Hand abzählen, in der Größenordnung fallen mir eigentlich nur das Internet ein, das Ende der 90er in Gestalt eines analogen Modems in mein Leben trat und plötzlich die gesamte Welt… ältere Leser werden sich erinnern. Weniger episch fühlte sich das Smartphone an (jawoll, damals noch mit ph geschrieben).

Seit 2023 dann der erste Hype um GPT, den hab ich noch als Außenstehender beobachtet. Ich hab die Dimension korrekt erkannt, aber eben nur rational und nicht emotional. Wissen und Erfahren sind halt zwei komplett unterschiedliche Dinge.

Seit Ende des Sommers hab ich mich immer häufiger mit GPT beschäftigt, und nachdem ich die ersten paar Mal meine Kinnlade noch manuell wieder hochklappen musste, bin ich inzwischen …nein streicht das, ich bin immer noch und immer wieder überrascht, wie gut die Ergebnisse sind, die da rauskommen. Weil die nämlich in den wenigen Wochen spürbar besser geworden zu sein scheinen. Das ist jetzt bewusst so vage formuliert – vielleicht lerne ich auch einfach nur, die richtigen Fragen zu stellen?

Ich geh jetzt nicht ins Detail, was ich da nächtens stundenlang mit GPT fabriziere (vielleicht bekommt ihr das irgendwann später mal zu Gesicht), aber im kreativen Bereich ist GPT so erschreckend gut, dass ich mir inzwischen existenzielle Fragen stelle. Ohne shice jetzt.

Menschliche Kreativität: Fällt da gerade die letzte Bastion?

Maschinen sind stärker, schneller und ausdauernder als wir. Das bezweifelt niemand mehr. Schiere Datenmengen merkt sich der Computer schon seit Jahrzehnten besser als unser Gehirn, und aus diesen Datenwüsten die richtigen Daten rauszuziehen, klappt inzwischen auch besser als bei uns Biologischen.

Was bleibt, was macht uns noch besser, wo sind wir den Maschinen noch überlegen? Kreativität?

Wirklich?

Ist unsere Kreativität wirklich noch ein Alleinstellungsmerkmal von uns biologischen Menschen? Jaja ich weiß, dass LLMs (Large Language Models, also diese Laber-Bots wie GPT und Gemini) nicht wirklich kreativ sind und auch nicht wirklich „denken“ können. Aber sie kommen eben zu Ergebnissen, die sich immer schwieriger von denen echter Kreativität und echtem Denken unterscheiden lassen.

Das würde bedeuten, dass sie uns vielleicht irgendwann demnächst (und dieses „demnächst“ wird wohl schneller da sein als wir alle glauben) auch in Sachen Kreativität überholen.

Was, wenn KI-Witze witziger als unsere eigenen sind, KI-Bücher besser als Bio-Bücher und KI-Erfindungen revolutionärer als unsere? Musik kann man jetzt schon mit drei Mausklicks machen lassen, inklusive Genrewunsch und automatisch erstelltem Albumcover. Kostenlos. Den Liedtext lassen wir einfach von GPT schreiben.

Der Brumme als Liedermacher

Übertrieben, sagt ihr? Hier, guckt bzw. hört mal:

Durch Staub und Flammen – Optische Sensoren in Schweißumgebungen

War ne Schnapsidee, die auf Arbeit (im Maschienbau-Umfeld) geboren wurde: Optische Sensoren haben Probleme in Umgebungen, in denen geschweißt wird (Automaten machen das…), weil’s da durch das Schweißen dreckig ist.

Ich: „Müsste man eigentlich GPT nen Text schreiben und das dann irgendwo vertonen lassen…“

Kollege: [amüsiert]

Ich: „Moment, ich hab GPT doch jetzt als App auf’m Fon…“

Augenblicke später:

Entwirf einen Liedtext zum Thema optische Sensoren im Einsatz bei schmutzigen Schweißarbeiten

Und GPT so:

Strophe 1:
Unter Funken und Glut, in der heißen Nacht,
Die Maschinen brummen, das Metall erwacht.
Doch der Schmutz klebt fest, wie ein grauer Schleier,
Optische Sensoren, sie ertragen das Feuer.

Doch sie sehen durch den Dunst, durch den Staub im Licht,
Selbst wo Rauch sich windet, verlieren sie nicht die Sicht.

Refrain:
Durch Staub und Flammen, sie finden den Weg,
Optische Augen, die alles versteh’n.
Sie leuchten klar, im Funkenmeer,
Im Schweißgewitter, da glänzen sie mehr.

Strophe 2:
Wenn der Schweiß spritzt und das Eisen glüht,
Die Luft ist schwer, die Maschine müht.
Doch die Sensoren, die halten stand,
Unermüdlich, fest, in heißer Hand.

Sie erkennen den Winkel, die Naht so genau,
Wo der Schmutz sich türmt, wird die Sicht nie grau.

(Refrain wiederholen)

Bridge:
Staub kann sie nicht brechen, Flammen nicht verbrenn’n,
Durch dichte Schleier leiten sie den Strom ins brennende Herz.
Optische Sensoren, stark und klar,
Ewige Wächter, stets unsichtbar.

(Refrain wiederholen)

Outro:
Durch Staub und Flammen, sie finden den Weg,
Optische Augen, die nie versag’n.
In der Werkstatt, im Funkenmeer,
Optische Sensoren, wir ehren euch hier!

Wir haben uns drüber amüsiert und sind zur Tagesordnung zurückgekehrt. Der Kollege hat nem Bekannten den Text geschickt, weil der wohl schon mal Lieder mit KI erstellt hätte. Aber der hat nicht geliefert. Also ich mich nach ein paar Tagen selber rangemacht. Ich hab ne Viertelstunde gebraucht, bis ich einen kostenlosen AI music generator gefunden hatte (war bis dato uninteressant für mich), und suno.com schien schließlich OK zu sein. Keine 5 Minuten später war der Song fertig.

Klar, das ist jetzt kein Hit, aber irgendwie geht die Melodie dann halt doch ins Ohr. Und der Text ist genauso just good enough: Für’s Hintergrundgedudel im Radio reichts. Letztlich isses wie bei mp3 damals: Schlechtere Qualität als Musik auf CDs, hat sich aber trotzdem durchgesetzt. Weil’s besser skaliert. Und wenn jetzt Hinz und Kunz trotz akuter Talentfreiheit Liedermacher werden können… Geschichte wiederholt sich selten, aber diese hier reimt sich ganz arg doll.

Sicher ist das auch nicht das Ende der musikalischen Fahnenstange, ich bin sicher man kann mit ein bisschen reinfuchsen noch deutlich bessere Lieder raushauen lassen (und niveauloses Zeug sowieso). Da kommt auch Zeug raus, dass seriously Ohrwurmcharakter hat. One Bite hören Brummes seit Wochen auf und ab. Nicht schlecht für’n seelenloses Maschinenlied.

Aber darum geht’s nicht (nur).

Ja klar, auf die Art verkümmert unsere eigene Kreativität und Talente die wir nicht jahrelang üben, wie Musik machen oder Schreiben, weil die KI das schneller und bald besser macht, solche Talente atrpohieren uns einfach weg, wie Muskel die man nicht mehr nutzt. Wir sägen am Ast, auf dem wir sitzen.

Oder?

Oder ist GPT nur ein mächtiger Hebel, den ich an meine Kreativität ansetze und viel mehr in viel kürzerer Zeit erschaffen kann? Meine kreativen Spielereien mit GPT haben in den letzten 4 Wochen jedenfalls mehr Output hervorgebracht als in den letzten 15 Jahren davor.

Aber auch darum geht’s eigentlich nicht (nur).

Die wichtige Frage ist: Wenn Kreativität kein Alleinstellungsmerkmal von uns Menschen ist und Maschinen das auch können… sind wir dann bald überhaupt noch in irgendwas besser?

Wozu braucht es uns dann noch?

Vielleicht hat das Känguru ja ne Antwort. Werd’s morgen mal fragen.

P. S.: Wie das Titelbild entstanden ist, könnt ihr euch denken. Aber für’s Protokoll:

Erstelle ein Bild von Marc-Uwe und dem Känguru, wie sie Pokemon Go spielen

Ich konnte das Bild leider nicht erstellen, da es gegen die Content-Richtlinien verstößt. Die Richtlinien erlauben keine direkten Darstellungen von bekannten Persönlichkeiten in bestimmten Situationen. Wenn du eine alternative Idee hast, die nicht direkt reale Personen zeigt, können wir gerne einen neuen Versuch starten!

Erstelle ein Bild von einem Mittdreißiger Hipster und einem Känguru, die draußen mit ihrem Smartphone spielen.

Nuff said.

2 responses to “Das Känguru spielt Pokemon Go, oder: Der Kleinkünstler aus der Konserve”

  1. […] der Ergebnisse, die bei GPT rauskommen, ist absolut erstaunlich. Es erinnert an die Känguruh-Geschichte von neulich: Es wird immer schwerer, zu erkennen ob etwas von Menschen oder einer KI erschaffen […]

  2. […] haben wir ja neulich schon gelernt, dass GPT den Schreibstil von bekannten Künstlern überraschend gut imitieren […]

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