Das war ein dunkler „Heureka!“-Moment für mich diese Woche, der mich ehrllich gesagt erstmal ratlos zurücklässt: Mir ist klar geworden, wie die* Klimawandelleugner die steigende kognitive Dissonanz weg bekommen:
*…die oft, aber nicht nur aus dem rechten Lager stammen, auch wenn das in Zusammenhang dieses Posts wenig zur Sache tut
Wettermanipulation!
Kontext: Ich habe verschiedene politische Newsletter im Abo. Hauptsächlich linksgrün versifftes Gutmenschenzeugs, global agierende Organisationen wie Campact und change.org und so, aber auch ein paar aus meiner Region. Weil das – Achtung, politisches Bekenntnis: So ungefähr meine politische Einstellung ist.
Ich bekomme aber eben auch so ca. aller 2 Tage den Newsletter des rechten Compact Magazins. Weil ich wissen will, was bei denen gerade so los ist, ohne dass ich in irgendwelchen rechten Telegram Kanälen oder Whatsappgruppen sein muss. Am Donnerstag (19.10.2023) flatterte wieder einer in die Mailbox, der wie folgt losging:
FUD at it’s best, wie immer. Angst und Hass sind Kern und gleichzeitig Geschäftsmodell der Rechten, das überrascht niemanden mehr. Aber das hier? Woah.
Es ist nicht das erste Mal, dass mich deren Gedankengänge sprachlos zurücklassen. Ohne Kopfschütteln geht’s fast nie ab, aber manchmal übertrifft sich die Szene selbst. Wie hier. Ich habe fazialpalmiert, langanhaltend und mehrfach.
Deutungsversuche und HEUREKA!-Moment
Auf einer bestimmten Ebene war mir das bisher schon klar, aber jetzt hat es quasi hörbar „CLICK!“ gemacht, als die folgende Erkenntnis mit Wucht eingesickert ist. Wie so’n Puzzleteil, das in Nahaufnahme einrastet, komplett in Zeitlupe, mit angemessen cineatischem Bass-Effekt und Schockwelle:
Wir sehen ja inzwischen mit jeder Katastrophe einen weiteren Beweis (…ja OK: Indiz) für den menschengemachten Klimawandel. Trotz der unsäglichen False Balance in Talkshows und generell den Medien sickert bei immer mehr Menschen, dass da die Wissenschaft wohl doch Recht haben könnte und die Aluhüte eine (noch) kleine, aber laute Minderheit sind.
Den Klimawandel weiterhin zu leugnen bedeutet also, andere Erklärungen finden zu müssen, warum das alles passiert. „War schon immer so“ überzeugt immer weniger, genauso wie „alles nur gehyped“ und wasauchimmer es da für Hohlphrasen gibt. Wir kennen sie inzwischen alle, und ich bin zu müde, um sie zu wiederholen.
Also muss was neues her. Aber was?
Seit Donnerstag weiß ich es: Wettermanipulation. „Die Eliten manipulieren das Wetter, um uns zu dezimieren!“ Vermutlich ein enger Verwandter der Chemtrail-Mythen.
Dieser neue Twist funktioniert so wunderbar einfach wie effektiv: Man erkennt jetzt im Gegensatz zum bisherigen Wegleugnen die physische Realität an – die kognitive Dissonanz ist weg – und verschiebt gleichzeitig die Verantwortung von uns selbst auf die mythischen „die da oben„. Damit können wir als Gesellschaft bequem so weitermachen wie bisher, weil: Wir sind ja nicht schuld.
Kurz: Die Aluhüte ziehen sich auf die nächste Verteidigungslinie zurück und verbarrikadieren sich dort.
Prognose
In den nächsten Jahren/Jahrzehnten werden wir mit der Aluhutfraktion nicht mehr über das „ob“ des Klimawandels diskutieren, sondern über das „wer war’s?„. Wie bisher wird keines unserer rationalen Argumente greifen, und wie bisher werden die Gegen“argumente“ keinen Deut überzeugender werden. Da das Ganze eine Diskussion über „die Eliten“ wird, werden wir schneller in Antisemitismus abgleiten, als… ach, ihr wisst was ich meine, nor?
In diesem neuen Zirkuszelt verlieren wir wieder mehr Zeit. Zeit, in der wir weiterleben können wir bisher – das eigentliche Ziel der Aluhüte, ob nun bewusst oder unterbewusst: Ja kein Verzicht, ja nicht anerkennen müssen, dass wir Mitverantwortung am jetzigen Zustand der Welt haben.
Aber auch Zeit, in der wir hätten etwas tun können, um die katastrophalen Folgen für uns alle wenigstens noch ein bisschen abzumildern. Weil: Wenn wir unsere Kräfte in sinnlosen Diskussionen binden, haben wir weniger Kraft, die wir in wirksames Handeln stecken können.
Was tun?
Der letzte Satz impliziert eigentlich schon die einzig richtige Antwort: Die Aluhüte ignorieren, weder Zeit noch Kraft in Diskussionen vergeuden und stattdessen auf effektives Handeln konzentrieren. Aber ich kenne sowohl mich als auch unsere Gesellschaft als Ganzen inzwischen gut genug, um zu wissen dass das nicht gelingen wird, jedenfalls nicht immer. Die Diskussionen werden kommen.
Also gilt es jetzt, sofort Gegenargumente zu finden, um diese neue Verteidigunslinie möglichst wirkungsvoll – und damit schnell – zu pulverisieren. Rationale Argumente helfen nur bedingt, das haben die letzten Jahr(zehnt)e deprimierend eindrucksvoll gezeigt.
Vielleicht funktioniert die emotionale Ebene besser?
Den Aluhüten einfühlsam den Wirkungsmechanismus kognitiver Dissonanz zu erläutern, halte ich
a) für wirkungslos (hat bisher nicht funktioniert, wird’s auch weiterhin nicht) und
b) habe ich dafür die Kraft nicht mehr.
Vielleicht funktioniert ja lächerlich machen? Menschen mögen es nicht, wenn sie sich zum Ei machen. So ungefähr in diese Richtung: „Was du da sagst ist kompletter Quatsch. Du kannst deine Meinung natürlich gern behalten und äußern, aber ich bin nicht verpflichtet, mir so nen peinlichen Unfug anzuhören. Also geh mir damit nicht auf den Keks.“ Vielleicht mit anderen* Worten, aber so ungefähr in diese Richtung…was meint ihr?
* Beispielhafte Kurzform: „Alder, haste Lack gesoffen? Schieb ab!„
Einerseits
Mir ist wichtig, dass ich nicht als Unterdrücker von Meinungsfreiheit wahrgenommen werde.
Die halte ich nämlich erstens wirklich für absolut verteidigenswert. Ich würde die Meinungsfreiheit der Aluhüte verteidigen, wenn das sein müsste – auch wenn ich ahne, dass das nicht auf Gegenseitigkeit beruhen würde, wären die gesellschaftlichen Machtverhältnisse zu deren Gunsten verschoben.
Zweitens, und m. E. viel wichtiger ist aber: Uns Nichtaluhüte als fiese Meinungsfreiheitsunderdrücker abzustempeln, ist eine beliebte und leider auch wirksame Strategie der Verschwörungsmythlogen. Wasser auf diese Mühlen ist also zu vermeiden.
Andererseits
Mit dem „geh mir damit nicht auf den Keks“ signalisiere ich, dass Meinungsfreiheit eben nicht bedeutet, dass der Rest der Welt, der noch einigermaßen seine Sinne beisammen hat, sich diesen Quark anhören muss. Es bedeutet auch nicht, dass man Anspruch darauf hat, respektiert zu werden. Jeder darf sagen was er will (in unseren verfassungsrechtlichen Grenzen, selbstverständlich), aber niemand ist gezwungen, sich sowas anhören zu müssen oder die Absender verquerer Botschaften danach noch ernst zu nehmen. Respekt ist kein Recht, den muss man sich verdienen.
Kurz: Jeder hat die Freiheit, sich selbst zum Ei zu machen. Und, frei nach Havelock Vetinari: Die Freiheit, die Konsequenzen des eigenen Handelns zu tragen. (Shoutout an alle Pratchett Fans an dieser Stelle)
Ich habe keine Ahnung, ob diese Strategei wirken wird, aber mehr hab ich derzeit nicht im Angebot. Ich bin für alle Ratschläge offen!
Nochmal kurz Inhaltlich…
Damit das nicht unerwähnt bleibt: Ich weiß, dass es Experimente zur Wettermanipulation gab und gibt. Das leuge ich gar nicht. Ich mag nur nicht so recht glauben, dass das a) seit Jahren oder Jahrzehnten verborgen und unbeweisbar im global-großen Stil gemacht wird, und dass – FALLS(!!!) das jemals so stattfinden würde, das Ziel die Menschheitsdezimierung wäre, Georgia Guidestones und so.
Geoengineering ist seit langem der heiße shice in gewissen Kreisen, allen voran bei Ultrareichen, Libertären und Technikgläubigen. Pikanterweise deckt sich dieser Personenkreis auffällig mit denen, die die weltweite rechte Szene fördern und finanzieren.
Und nein: Der Zynismus dessen ist mir nicht entgangen, ich will das jetzt nur nicht weiter ausbreiten, weil Politisches eigentlich nicht Inhalt des Blogs sein sollte. Von diesem Vor- und Grundsatz bin ich heute mal abgewichen, weil ich aus dem Fazialpalmieren nicht mehr rauskam und mir das mal von der Seele schreiben wollte. Bislang erfolglos.
Sorry for that.