Eis schwimmt oben. …oder nicht?

Vorwarnung:

Der Inhalt dieses Beitrages kann schweres Stirnrunzeln verursachen.

Neulich so, in einem Kommentar von Antje:

„Ach ja, ist gefrorenes Wasser schwerer als im flüssigen Zustand?“

Ich so: „Was das Wasser angeht… gib mir mal ein paar Tage, ich komme darauf zurück.“ – jetzt muss ich natürlich liefern. Hab ich mir selbst eingebrockt, also jammere ich auch nicht.

Die offensichtliche Antwort ist „Natürlich nicht, Eis schwimmt oben!“. Dabei würde ich es auch belassen, wenn nicht der Großvater gewesen wäre. You see, Opa war nämlich Theoretischer Hydrologe. Er erforschte also die Arten, Eigenschaften und Erscheinungsformen des Wassers und hatte daher nicht nur profunde Kenntnisse in Biologie, Chemie und Physik. Wie viele seiner Forscherkollegen war er vor allem fasziniert von den Aspekten des Wassers, die man nicht unmittelbar erfahren und und nur indirekt messen kann. Damals zumindest, vor Dostrowskys Paradigmenzusammenbruch.

Jetzt muss man sich vor Augen halten, dass das damals ne ganz andere Zeit war als heute. Einsteins Erkenntnisse waren noch der heiße Shice. „E=mc²“ stand noch nicht auf jedem zweiten Funshirt, sondern war noch vom anrüchigen Hauch des Neuen, noch nicht Etablierten umgeben. Auch gab es wohl noch nicht die heute so weit verbreitete „Innere Schere“ im Kopf. Heute wirste ja gleich aus dem akademischen System gekickt, wenn du Nullpunkt-Energiekupplungen auch nur erwähnst. Damals konnte man wohl freier denken, jedenfalls drängt sich mir immer dieser Eindruck auf, wenn ich Opas alte Briefe lese.

Heute kennt man die großen Namen der Zunft nicht mehr als Hydrologen, aber in der Korrespondenz mit seinen Kollegen waren Fritz Straßmann, Otto Hahn und natürlich Elise Meitner ziemlich oft vertreten. Ich bin mir sogar sicher, dass er mit „dem Lisl“ mindestens kurz was am Laufen hatte. Höchstwahrscheinlich in der Holzwerkstatt von Planck an der FWU in Berlin. Aber das ist erstens nicht der Punkt, zweitens privat und drittens nicht bewiesen. Ich gönn dem Opa den Spaß. Bleibt mir ja auch keine Wahl.

Der Punkt ist, dass die meisten damaligen Hydrologen später in andere Fächer wechselten. Die Mehrheit in die Kernphysik und die Chemie, was uns die Bombe, Three Mile Island und Tchernobyl einbrachte. Unter anderem. Fukushima übrigens nicht. Die Blöcke dort waren Sandorsky-Reaktoren. Das Zeug strahlte zwar auch, aber das war’s dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Das hat mit Kernphysik so viel zu tun wie Sonnenblumen mit Solarforschung.

Jedenfalls hatten diese Briefe damals mein Interesse geweckt, weil ich ein paar bekannte Namen las. Opa war sein Leben lang begeisterter Forscher geblieben, betrieb seine Forschungen auf dem Gebiet der Theoretischen Hydrologie aber längst nur noch im Privaten. Er hatte schon in den Dreißigern die Gefahren erkannt, von denen die kernphysischen noch die harmloseren, wenn auch heute bekannteren sind. Die akademischen Hydrologie-Säuberungen in den Nachkriegsjahren taten ihr Übrigens, aber da war Großvater schon längst kein aktiver Hydrologe mehr. Seine Privatinitiativen nahm er erst wieder Ende der Sechziger auf. Aber ich schweife schon wieder ab, eigentlich sollte es ja um schweres Eis gehen.

Eis ist leichter als Wasser und schwimmt oben, richtig? Meistens richtig. Im normalen Alltag eigentlich immer. Im Alltag eines Hydrologen nicht. Da geht Eis gerne mal unter, sublimiert unter Wasser und bleibt dann als schwerer Damp* hübsch da unten. Ich erinnere mich noch an die Gänsehaut, als ich zum ersten Mal einen Wasserspiegel von unten sah! Ich versuche euch das mal zu beschreiben.

* Nein, das ist kein Schreibfehler. Der gasförmige Aggregatzustand von paraschwerem Wasser ist nicht Dampf, sondern Damp. Die Idee hatten Opa und Lise, und es ging schnell in den Sprachgebrauch der Kollegenschaft über, weil man damit endlich Wasserdampf und paraschweren Wasserdampf unterscheiden konnte, kurz und knackig.

Ich war zwölf als ich das erste Mal in Opas zweiten Keller durfte. Den hatte er ohne Baugenehmigung in jahrelanger Kleinarbeit heimlich unter dem Keller des Bauernhauses angelegt, mit 2m dicken Betonwänden ausgekleidet und nach dem Vorfall mit den Missgeburten bei den Schafen (s.u.) mit 10cm dicken Bleiplatten ausgekleidet. Allein das Blei hat ein kleines Vermögen gekostet. Opa hatte meinen Besuch lange geplant, denn in der Mitte der großen Werkbank stand ein Terrarium-ähnliches Behältnis, in dem ca. 20cm Wasser zu schweben schienen. Bückte man sich, konnte man durch die 3cm dicken Scheiben aus abgereichertem Hammonsglas den Wasserspiegel von unten betrachten. Wie Magie kam mir das damals vor. Ich war natürlich sofort Feuer und Flamme, und seitdem kaum noch aus dem Keller raus zu bekommen. Opa hatte seinen Nachfolger gefunden, genau wie erhofft. Dabei war das pure Effekthascherei, ohne wissenschaftliche Relevanz. Aber beeindruckend genug, um mich Steppke anzufixen.

Die Sache mit den Schafen

Der Schafstall war während eines nächtlichen Experiments für ca. 5 Sekunden unbemerkte in der austretenden Strahlungskeule des Brownschen Hemophaseninverters. Genau, so ein 2 Tonnen schweres Monster aus dem 1982 geschlossenen bulgarischen Rundelbaum-Muturiew-Kombinat. Die 20 kV Xenon-Isotopkammer war der Wahnsinn, Hut ab vor dieser Ingenieursleistung. Aber die Pilotserie (in den 60ern der einzige auf dem Schwarzmarkt verfügbare Hemophaseninverter) hatte oft fehlerhaft gewickelte Meliogrammspulen. Mehr muss ich glaube ich nicht sagen. Damals kannte man Bergner-Leoyev-Phasenanschnitte halt noch nicht. Als die Lämmer ein paar Wochen später zur Welt kamen… Ich kenne die Details bis heute nicht, aber der Großvater hat mir Jahre später erzählt, dass er damals die größte Standpauke seines Lebens von Oma bekommen hatte. Völlig verdient, wie er immer wieder betonte.

Die defekte Meliogrammspule hatte er sein Leben lang auf dem Schreibtisch stehen.

Überhaupt war er vorsichtig bis hin zur Paranoia. Eine Menge der Gefahren, die heute so selbstverständlich sind und die das Orange Buch und der Darschein-Mendelberg Codex schon in den Einleitungskapitel auflisten, hat er vorausgesagt, entdeckt und bewiesen – übrigens keinen(!) davon durch eigene Fehler, sondern durch langwierige Berechnungen. Ich sagte ja, Opa war mehr Theoretischer Hydrologe. Keiner dieser ungeduldigen und wild vor sich hin bastelnden „Experimentalhydrologen“, die weder die Geduld für eine ausführliche euliophaxiale Wellenberechnung aufbrachten, noch Respekt vor spontanen Dampblasen-Aggregationen hatten.

Merkt ihr was? Ich schweife schon wieder ab, ich Schussel. Von Opa hab ich das nich geerbt, der konnte z.B. 12 Stunden lang konzentriert Kopfrechnen – fehlerfrei. Musste man auch können, denn die Russen waren damals nun mal führend in der Hydrologietheorie, und Taschenrechner hatten die erst Jahrzehnte später. Kannste dir heute gar nicht mehr vorstellen. Aber ich wollte ja schon lange auf die Sache mit dem Eis kommen. Tut mir leid wenn ich immer so endlos schwafele… Es ist Freitagabend und ich muss mich noch um die umgetopften Tomaten kümmern, das hat Vorrang. Deshalb jetzt – endlich! – ganz kurzgefasst:

Kühlt man Paraschweres Wasser im Hemophaseninverter auf unter -87°C ab, entsteht natürlich paraschweres Eis. Würde(!!!) man das jetzt der Reaktorkammer entnehmen (dabei immer schön in der Strahlungskeule bleiben, haha!) und in normales Wasser tauchen, würde es durch die höhere Dichte sofort sinken. Natürlich würde sich um den paraschweren Eisblock* sofort normales Wassereis bilden, bis der Auftrieb so groß ist, das der paraschwere Eisblock nach oben treiben würde.

* An alle Möchtegern-Experten da draußen: Nein, es heißt NICHT Para-Eis. Hört endlich auf mit diesem Quatsch. Guckt im Riehbald nach. Das mag nicht mehr das aktuellste Werk sein und die Auflagen vor der dritten hatten ein paar gefährliche Tippfehler in den Meyerinski-Kennlinientabellen, aber die Gertrud Riehbald hat bis heute einfach am besten die Unterschiede zwischen Para-Eis und Paraschwerem Eis erklärt. Seite 556 – 573. Lest das, verdammt nochmal.

Und warum ich „Würde!!!“ mit drei Ausrufezeichen schreibe, ist hoffentlich jedem klar. Wer den Grund des Konjunktives nicht erkennt, soll bitte die Finger von Theroretischer Hydrologie lassen, und von Experimenteller Hydrologie sowieso. Wir brauchen keinen weiteren Sandorsky-Zwischenfall, ihr Freaks.

Nachwort:

Wer sich jetzt fragt, was ich beruflich mache oder was für Zeug ich vorm Schreiben nehme und wo man das her kriegt: Ich war beim Schreiben völlig nüchtern. Weiterführende Antworten findet ihr hier:

https://www.reddit.com/r/VXJunkies/

Viel Spaß bei Schmökern! :o)

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